Newspaper article in Berliner Morgenpost
Thank you Berliner Morgenpost and Teresa Schomburg for such a beautiful article about our school.
Please find here the entire article in German:
Text: Teresa Schomburg
Eine bauchige goldene Vase steht auf dem Tisch. Mit flinken Fingern schneidet Julia Gauld-Ritterspach eine Blume nach der anderen zurecht, darunter Rosen, Levkojen und Wachsblumen, entfernt Blätter oder Dornen, faltet die Blütenblätter leicht auseinander und steckt die Blumen mit Hilfe von Hühnerdraht in der Vase fest. Nach und nach entsteht so ein prachtvolles Bouquet. Doch das braucht seine Zeit, mindestens eine halbe Stunde. Und vorher muss Julia Gauld die Pflanzen noch möglichst früh morgens auf dem Blumenmarkt einkaufen. „Mit Blumen zu arbeiten bringt viel Freude“, sagt sie. „Aber es ist auch ein wirklich anstrengender Job.“
Blumen begleiten Julia Gauld schon ihr ganzes Leben. Doch es dauerte viele Jahre, bis sie die blühende Pracht zu ihrem Beruf machte. Ihre Kindheit verbrachte sie zum Teilin Nepal Kathamndu, wo ihr Vater für den GTZ arbeitete. Im Garten der Familie wuchsen viele exotische Blumen, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter pflückte und arrangierte. Die Mutter brachte Julia und ihren Geschwistern auch spielerisch die Blumennamen bei. Nach dem Abitur zog es Julia Gauld zunächst nach London, um Textil Design zu studieren. Anschließend arbeitete sie einige Jahre im elterlichen Textilbetrieb in Lübeck, wo sie Kollektionen für Kissen und Gardinen entwarf und bei Messen auch für die Blumendekoration zuständig war. Als ihr Sohn geboren wurde, sattelte Julia Gauld um und begann an verschiedenen Berliner Fachhochschulen als Designdozentin zu unterrichten. 2015 wagte sie noch einen Neuanfang und gründete gemeinsam mit einer Kollegin eine Hochzeitsagentur, die neben Papeterie und Hochzeitsfotografie auch die Blumendekoration aus eigenem Haus anbot.
Bald stellte Julia Gauld fest, dass die Blumen ihre größte Leidenschaft waren. Ihr fehlten aber noch einige praktische Fertigkeiten und Bindetechniken. Die dreijährige Ausbildung zur Floristin, die sie in Deutschland hätte machen können, kam für sie nicht mehr in Frage. „Ich hatte ja schon mehrere Jahre studiert und dort viel darüber gelernt, wie ich meinen eigenen Stil entwickeln kann“, sagt Julia Gauld. Denn das ist ein zentraler Teil der Floristen-Ausbildung. Bei dieser arbeiten die Auszubildenden den größten Teil der Zeit in einem Betrieb, etwa einem Blumenladen. An zwei Tagen in der Woche lernen sie Grundlagen in der Berufsfachschule. Ein weiterer wichtiger Punkt der Ausbildung ist das Lernen der Spiraltechnik, die Basis für das Binden von Sträußen. Dabei werden die Blumen in einer Art spiralförmiger Drehung gebunden, so dass selbst ein Strauß mit wenigen Blumen opulent wirkt. Dazu kommen verschiedene Stecktechniken, das Kranzbinden, sowie Topfpflanzenkunde. Außerdem müssen die Auszubildenden die deutschen und lateinischen Blumennamen lernen, ohne die sich viele Blumen gar nicht am Blumenmarkt bestellen lassen. Auch Kenntnisse darüber, welche Blumen wann Saison haben, werden vermittelt. Zumal das Interesse an regionalen, saisonalen und damit oft nachhaltigeren Blumen zunimmt. Wenn es um die Komposition von Sträußen und Gestecken geht, müssen die Auszubildenden lernen zu unterscheiden: Was ist eine „Hauptblume“ oder „erste Blume“ wie eine Rose, was macht „zweite Blumen“ wie Nelken, Tulpen oder Ranunkeln aus, und wie setze ich Füllblumen wie Schleierkraut oder Wachsblumen ein? Auch in puncto Farbenlehre gibt es viel zu lernen: Was sind komplementäre und was analoge Farbe, wie wirken sie in einem Strauß? Soll eine Blumendekoration eine warme oder eine kalte Grundfarbe haben? Soll sie auffällig oder dezent sein?
Die Floristen-Ausbildung in Deutschland schätzt Julia Gauld durchaus. „Was ich aber zu der Zeit brauchte, war ein kompakter Kurs, wo ich schnell Techniken lernen kann“, sagt sie. Diese fand sie nur außerhalb Deutschlands und ging darum noch einmal für vier Wochen nach London, um einen Kurs an der dortigen MC Queens Flower School zu besuchen. Das erworbene Wissen konnte sie aber nicht nur für ihre Hochzeitsagentur nutzen, es erwuchs daraus eine weitere Idee: ihre eigene Blumenschule zu eröffnen. In der „Berlin Flower School“ im Neuköllner Rixdorf bietet sie nun die Kurse an, die sie selbst in Deutschland vermisst hatte. Ihr Angebot reicht von eintägigen Blumendesign-Workshops für Einsteiger über saisonale Kranzbindekurse bis zum mehrwöchigen Karriere-Kurs Floristik. Es kommen interessierte Privatpersonen ebenso wie Berufstätige aus verwandten Bereichen wie Eventagenturen und Leute, die überlegen, ob der Floristen-Beruf etwas für sie sein könnte. „Mittlerweile schicken auch Betriebe ihre Auszubildenden in meine Kurse, weil im Tagesgeschäft oft nicht die Zeit da ist, um alle Bereiche abzudecken,“ sagt Julia Gauld. Zumal die Lehrpläne innerhalb der Ausbildung langfristig festgelegt sind, während Julia Gauld auch spontan auf Trends oder neue Techniken reagieren kann. „Schwierig finde ich zum Beispiel, dass in der Ausbildung immer noch viel mit dem sehr umweltfeindlichen Steckschaum gearbeitet wird. In meinen Kursen zeige ich daher gern Techniken mit Alternativen wie Hühnerdraht,“ sagt Julia Gauld. Allen, die die dreijährige Ausbildung machen wollen, rät sie, sich die Betriebe vorab genau anzusehen: Ist die dort angebotene Ware frisch? Wie sind die Blumen dort arrangiert? Sagt mir der Stil zu?
So schön der Beruf auch ist, er wird oft unterschätzt und dementsprechend auch unterbezahlt. „Ich empfehle daher immer gern, sich perspektivisch mit einem eigenen Betrieb selbständig zu machen“, sagt Julia Gauld. Dass Blumen mittlerweile auch bei großen Discountern verkauft werden, bereitet vielen innerhalb der Branche Sorgen. Denn mit deren Preisen kann kein kleines Blumengeschäft mithalten. „Da ich kein Laden sondern eine Schule bin, sind die Discounter für mich persönlich zwar keine Konkurrenz“, sagt Julia Gauld. „Ich finde es aber schade, dass so das Gefühl für Floristen als Fachpersonen verloren geht, die wirklich individuell einen Strauß zusammenstellen.“ Blumen werden heute oft als Wegwerfartikel wahrgenommen. Dabei steckt in einer Blume schon enorm viel Arbeit, Zeit und Ressourcen, bevor sie überhaupt auf dem hiesigen Blumenmarkt landet: Züchten, anbauen, ernten, transportieren. Dazu kommt: „In der Floristik begleiten wir Menschen in den wichtigen Momenten des Lebens, von der Taufe über runde Geburtstag und Hochzeiten bis zur Beerdigung. Deswegen empfinde ich eine Blume als wahnsinnig kostbar.“ In Deutschland gilt Floristik vor allem als Handwerk. In England dagegen heißt der Beruf: „floral designer“ oder „floral artist“, also Blumenkünstler. Julia Gauld findet: „Das trifft es viel besser“. Im Mai 2023 wird sie das Buch „Seasonal Wedding Flowers“zum Thema saisonale Hochzeitsblumen auf Englisch veröffentlichen.
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